Über Uns

Der Fachbereich Sinologie befasst sich wissenschaftlich mit dem Raum „Greater China“ und seinen wesentlichen Bestandteilen Festlandchina, Hong Kong und Taiwan. Greater China ist eine Region schneller Entwicklung und großer Vielfalt. Sie zeichnet sich durch außergewöhnlich dynamische wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Wandlungsprozesse aus. Gleichzeitig gehört die chinesische Zivilisation zu den ältesten der Welt und antike Traditionen werden bis heute gelebt. Die Zeichenschrift verbindet die Dialekte miteinander sowie die Vergangenheit mit der Gegenwart. Mit einem Einparteienstaat auf dem Festland, einer hybriden, post-kolonialen Verwaltung in Hong Kong sowie einer liberalen Demokratie auf Taiwan ist der Raum zudem durch eine bemerkenswerte politische Diversität gekennzeichnet.

Ziel der Ausbildung ist, Studierenden die Kompetenz zu vermitteln, diese Dynamiken und Gegensätze mittels theoretisch geleiteter und empirisch fundierter Analyse einzuordnen. Die besondere Stärke der Sinologie an der Universität Wien ist hierbei ihre sozial- und geschichtswissenschaftliche Ausrichtung. Im Fokus von Forschung und Lehre stehen die Entwicklungen des 20. und 21. Jahrhunderts. Angewendet und gelehrt werden Methoden und Forschungstechniken der Sozial- und Geschichtswissenschaften. Diese reichen von Textinterpretation und Archivforschung über Feldforschung und Interviews bis zu quantitativer Sozialforschung und maschinenlernenden Verfahren. Inhaltliche Schwerpunkte liegen auf den folgenden Themenbereichen:

Politik und Recht

Im Bereich Politik und Recht werden die Zusammenhänge zwischen technologischer und gesellschaftlicher Modernisierung, politischer Innovation und Regimestabilität erforscht. Besonderes Augenmerk richtet sich hierbei auf die Digitalisierung: Chinesische Lokalregierungen greifen zunehmend auf digitale Technologien zurück, um Regierungsperformanz zu verbessern und gleichzeitig sozialer Instabilität entgegenzuwirken. Zentral ist hierbei die Frage nach den Auswirkungen der digitalen Partizipationsinstrumente und Informationsflüsse auf Regierungsperformanz sowie die Beziehung zwischen dem Staat und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen

Die Volksrepublik China ist durch einen Kontrast an nationaler politischer Stabilität und teilweise erheblichen lokalen Unruhen gekennzeichnet. Außerdem wurden politische Entscheidungsprozesse selektiv für gesellschaftliche Akteure geöffnet. An der Wiener Sinologie werden Mobilisierungsmuster, institutionalisierte Partizipationskanäle wie das Petitionssystem sowie die Interaktion zwischen Protesten und Elitenverhalten untersucht. Ebenso werden Organisationsformen und Partizipationsmuster von Nicht-Regierungsorganisationen und sozialen Bewegungen erforscht.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt sind die Beziehungen zwischen Zentralregierung und Lokalregierungen. Die Volksrepublik China ist zwar ein zentralisierter Staat, doch haben lokale Regierungen teilweise große Entscheidungsspielräume. Darüber hinaus existieren in Hong Kong und auf Taiwan andere Politik- und Verwaltungssysteme. Daraus ergibt sich eine bedeutsame Variation, die für vergleichende Forschung genutzt wird. Zudem lässt sich trotz Zentralisierung und Zensur inzwischen eine große Vielfalt an politischen Meinungen, Identitäten und Mediendiskursen dokumentieren. Diese werden mittels der Analyse von Umfragedaten und (sozialen) Mediendiskursen untersucht.

China hat im Zuge seiner viel bestaunten ökonomischen Entwicklung weltpolitisch stark an Bedeutung gewonnen. Es gilt in diesem Zusammenhang, die Strategien der chinesischen Eliten zu verstehen und weltpolitisch wie historisch einzuordnen. Welche Konzepte entwickelt die chinesische Politikwissenschaft bezogen auf die internationale Ordnung? Welche Bedeutung hat Chinas „Wiederaufstieg“ für das augenblicklich noch gültige System der internationalen Beziehungen? In der Wiener Sinologie sind diese Frage integraler Bestandteil von Forschung und Lehre.

Ein übergreifendes Thema ist die Umwelt. Dieses Feld wird sowohl aus politischen als auch aus historischen und gesellschaftlichen Blickwinkeln untersucht. Gegenstand der Forschung und Lehre sind sowohl staatliche Initiativen, mit denen versucht wird, den teilweise dramatischen Umweltproblemen zu begegnen, als auch die Entwicklung von zivilgesellschaftlichen Umweltorganisationen und Umweltprotesten.

An den Schnittflächen zwischen Recht, Politik und Gesellschaft ist zudem die Frage nach Narrativen und Diskursen zu Recht und Gerechtigkeit angesiedelt, die als Grundlage einer politischen und gesellschaftlichen Identitätsbildung behandelt werden.

Geschichte und Gesellschaft

Im Bereich von Geschichte und Gesellschaft wird ausgehend von historischen Ereignissen und Strukturen das gegenwärtige China und die damit in Verbindung stehende Transformation der Gesellschaft(en) Chinas betrachtet.

Die Forschung zur chinesischen Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts zählt als wichtiger Beitrag dazu, die politische, kulturelle und geistige Situation in der Volksrepublik China zu erörtern. Ein Ziel hierbei ist es, die Diskussion zur und über die chinesische Geschichte zu internationalisieren. Dabei wird die Geschichtsschreibung in vielfältigen Formen bearbeitet und der Zusammenhang von Erinnerung und Identität bezogen auf zentrale Ereignisse der chinesischen Geschichte seit 1949 untersucht. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei die Große Hungersnot (1959 – 1961), die Kulturrevolution (1966 – 1976) und die erste Phase von Reform und Öffnung (1978 – 1989).

Innerhalb dieses Themenbereichs findet auch eine Auseinandersetzung mit den Rehabilitierungen von Fällen politisch motivierter Fehlurteile der Mao-Ära statt. Besonders berücksichtig wird dabei, wie diese im chinesischen Spiel- und Dokumentarfilm der Reformära wahrgenommen und diskutiert werden. Auch in den Taiwan-Studien spielt das Medium Film eine wichtige Rolle.

Chinesisch als Fremdsprache und Fremdsprachendidaktik

An der Wiener Sinologie liegt der Schwerpunkt der Sprachausbildung auf der modernen chinesischen Hochsprache. Das Ziel für AbsolventInnen des Bachelorstudiums ist die Beherrschung von Chinesisch auf einem Niveau in etwa äquivalent zu B1 (GER). AbsolventInnen des Masterstudiums im wissenschaftlichen Zweig sollen in der Lage sein, das Chinesische schriftlich und mündlich im akademischen Kontext verwenden zu können. AbsolventInnen des Masterstudiums im Zweig Unterrichtskompetenz werden darüber hinaus theoretisch und praktisch mit der Didaktik des Chinesischen als Zweitsprache/Fremdsprache vertraut gemacht.

Die Forschungsschwerpunkte im Bereich Chinesisch als Fremdsprache und Fremdsprachendidaktik liegen auf der LehrerInnenbildung und dem kooperativen und kollaborativen Lernen. Ziel ist, die Methoden der Aktionsforschung anzuwenden und weiterzuentwickeln. Theorie und Praxis der Sprachlehr-/Sprachlernforschung können damit bestmöglich zusammengeführt werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf korrigierendem Feedback beim mündlichen Spracherwerb sowie dessen Bewertung, welche auf Erkenntnissen des von der EU unterstützten E-Tandem-Projekts „L3 TASK“ basiert.

In Zusammenarbeit mit der Beijing Language and Culture University (BLCU) wird ein Datenerhebungsprojekt durchgeführt, um eine globale Datenbank für Chinesisch als Verkehrssprache aufzubauen. Außerdem entwickelt das Sprachteam zurzeit ein eigenes Lehrbuch für Studierende der Sinologie. Darüber hinaus liegt ein Schwerpunkt auf der für SinologInnen essenziellen Fertigkeit des Leseverstehens und dessen Vermittlung im Unterricht – mit besonderem Augenmerk auf der Schriftsprache.